Der Wertverlust des Euro in Deutschland geht weiter und erreicht immer größere Dimensionen. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise im September im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,0 Prozent und damit auf den höchsten Wert der Nachkriegsjahre.
Insbesondere die Energiekosten, allen voran Heizöl und Strom, haben großen Anteil an der Negativentwicklung, aber auch die Preise für Lebensmittel setzten ihren Anstieg ungebrochen fort. Die Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) kommen im Zuge dessen zu dem Ergebnis, dass die Kaufkraft der Bundesbürger im nächsten Jahr um 4,1 Prozent geringer ausfallen wird und damit so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Als Folge wird unter anderem ein zurückgehender privater Konsum erwartet.
Hoffnung auf Gewinne in schwierigen Zeiten besonders groß
Eigentlich wäre deshalb auch damit zu rechnen, dass die Bundesbürger weniger Geld für Glücksspiele wie Sportwetten und Online-Casinos zur Verfügung haben und entsprechend weniger ausgeben werden. Allerdings machen sich Experten große Sorgen, dass diese logische Konsequenz ausbleibt und stattdessen die mit Glücksspiel verbundene, verlockende Aussicht auf Gewinne die Probleme von ohnehin unter Geldknappheit leidenden Menschen noch verstärken könnte.
“Die steigende Sorge von vielen Menschen, ihren Lebensunterhalt durch die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise nicht mehr schultern zu können, birgt eine sehr große Gefahr“, erklärte so der Bundesverband Selbsthilfe Glücksspielsucht gegenüber IPPEN.MEDIA und lieferte direkt dazu auch die Begründung für diese These. So seien Spieler gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten “immer getrieben von der Aussicht auf den einen großen Gewinn, der einem dann alle finanziellen Sorgen nimmt.“
Die Experten befürchten sogar, dass eine missliche Lage sogar Menschen zu Glücksspielen verleiten könnte, die bislang nicht oder allenfalls hobbymäßig damit in Berührung gekommen sind. Menschen, die generell anfälliger sind oder schon in der Vergangenheit ein problematisches Spielverhalten aufwiesen, seien sogar stark gefährdet, in eine möglicherweise fatale Spirale zu geraten, wenngleich der Verband auch darauf hinwies, dass allgemeingültige Schlüsse angesichts des individuell unterschiedlichen Umgangs mit Glücksspiel und dessen Verlockungen nicht möglich seien.
Mehr Glücksspielaktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern – Studien als Mahnung
Als Alarmsignal für eine möglicherweise steigende Problematik muss ein Statement der Landessuchtstelle Mecklenburg-Vorpommern gegenüber IPPEN.MEDIA betrachtet werden. Demnach ist in den vergangenen Monaten auch ohne bereits vorliegende Zahlen ein Anstieg von Glücksspiel und Sportwetten im Internet zu erkennen, den eine Sprecherin indirekt auch in Zusammenhang mit der zunehmenden Inflation setzt: “Leider erhoffen sich gerade Menschen mit geringen Einkommen, dass sie durch einen Gewinn an das große Geld kommen.“
Diese Aussage wird auch durch zwei von IPPEN.MEDIA erwähnte Studien bestätigt. Zum einen kommt eine aktuelle Untersuchung aus Großbritannien zu dem Ergebnis, dass steigende Lebenshaltungskosten insbesondere bei Frauen dazu verleiten könnten, Glücksspiel zu betreiben. Zum anderen hat eine Studie ergeben, dass während der Rezession auf Island anno 2008 in der Bevölkerung ein verändertes Spielverhalten auffällig wurde. So hätten damals unter der Rezession stärker leidende Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit Lotto- oder Rubbellose gekauft als andere, die von der Wirtschaftskrise nicht oder weniger betroffen waren. Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen kommt darauf basierend zu einem Schluss, der in andere Worte verpackt weitgehend den aktuellen Befürchtungen des Bundesverbandes Selbsthilfe Glücksspielsucht entspricht: “Offenbar wirken die in Aussicht gestellten Millionengewinne beim Lotto in derartigen Krisenzeiten noch verlockender als ohnehin schon.“
Auch deshalb darf man auf die kommenden Umsatzzahlen der Glücksspielanbieter ebenso gespannt sein wie auf die nächsten Statement der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die derzeit in Deutschland 430.000 Menschen zählt, die von Glücksspielsucht betroffen sind oder ein problematisches Spielverhalten aufweisen.